26. September 2013

Vererben bei Patch­work­fa­mi­lien

Heut­zu­tage wächst in Deutsch­land bereits jedes 4. Kind in soge­nannten „alter­na­tiven Lebens­formen – wie bei Allein­er­zie­henden oder Patch­work­fa­mi­lien – auf. Das tradi­tio­nelle Ehepaar mit gemein­samen Kindern scheint nicht mehr der allei­nige Regel­fall zu sein. Jede zweite Ehe in Deutsch­land landet vor dem Fami­li­en­ge­richt.

Finden die geschie­denen Partner dann neue Partner, so wird recht­lich das Chaos perfekt, denn neben den even­tu­ellen gemein­samen Kindern aus erster Ehe bringen geschie­dene Eheleute in die neue Bezie­hung die Kinder mit ein; diese haben dann verschie­dene Väter und Mütter, daneben aber auch doppelte Groß­el­tern. Proble­ma­tisch wird es dann, wenn Eltern­teile, seien es die leib­li­chen oder die jewei­ligen neuen Partner, sterben. Das kompli­zierte Erbrecht stellt dann eine beson­dere Heraus­for­de­rung dar. Den erbrecht­li­chen Schwie­rig­keiten kann man am besten durch sinn­volle Rege­lungen zu Lebens­zeit entgegnen, um nicht gewollte Erbkon­stel­la­tionen und somit auch Fami­li­en­strei­tig­keiten zu vermeiden. Eine ausführ­liche steu­er­liche und recht­liche Bera­tung ist aller­dings im Einzel­fall drin­gend ange­raten.

Patch­work­fa­milie Als Patch­work­fa­milie wird im weitesten Sinne eine Familie mit mindes­tens einem soge­nannten „Stief­kind“ verstanden. Diese Stief­kinder wachsen in einer neuen Familie mit einem leib­li­chen Eltern­teil und einem Stief­eltern­teil auf. Manche Partner sind dabei (wieder) verhei­ratet oder leben in nicht eheli­chen Lebens­ge­mein­schaften. Es gibt aber auch solche Lebens­ge­mein­schaften, in denen die Kinder verschie­dener Ex-Partner mitein­ander leben. Die neuen Bezie­hungen können wiederum gemein­same Kinder hervor­bringen.

Verbringt ein Stief­eltern­teil die meiste Zeit des Alltags mit den Kindern, so sollte es ihm ermög­licht werden, Entschei­dungen zu treffen. Ist der Stief­eltern­teil mit dem Sorge­be­rech­tigten verhei­ratet, muss keine sepa­rate Rege­lung erfolgen, da ihm mit der Heirat das „kleine Sorge­recht“ zusteht. Er ist damit zur Erzie­hung und Vertre­tung des Kindes im Alltag berech­tigt. Gemäß § 1687b BGB darf der Stief­eltern­teil bei Gefahr in Verzug alle Rechts­hand­lungen vornehmen, die zum Wohle des Kindes notwendig sind. Der sorge­be­rech­tigte Eltern­teil ist unver­züg­lich zu unter­richten.

In Fällen, in denen die neuen Partner nicht verhei­ratet sind oder der leib­liche Eltern­teil auch nicht das allei­nige Sorge­recht hat, erhält der Stief­eltern­teil die zuvor genannten Rechte nicht. Es sollte eine Voll­macht erteilt werden, die diesem die Entschei­dung über Alltags­an­ge­le­gen­heiten erlaubt. Diese Voll­machten müssen mit der Unter­schrift des(r) Sorge­be­rech­tigten versehen sein.

Erbfall Im Fall einer gesetz­li­chen Erbfolge bei Patch­work­fa­mi­lien erben nur die leib­li­chen Kinder des Verstor­benen, seien es dessen einsei­tiges Kind und/oder das gemein­same Kind. Der Erban­spruch des neuen Part­ners ist davon abhängig, ob dieser mit dem Verstor­benen verhei­ratet war. Stief­kinder erben nur im Falle einer Adop­tion durch den verstor­benen Stief­eltern­teil. Liegt diese nicht vor und sind auch sonst keine weiteren Vorkeh­rungen zu Lebens­zeit getroffen worden, erbt ein Stief­kind trotz einer gege­be­nen­falls lang­jäh­rigen sozialen Bindung zum Stief­eltern­teil nichts. Waren die Partner nicht verhei­ratet, erbt auch der neue Lebens­ge­fährte nicht. Das Erbe wird allein unter den leib­li­chen Kindern des toten Part­ners verteilt. Die Quote ermit­telt sich wie bei „normalen“ anderen Fami­lien auch in Abhän­gig­keit von der Anzahl der Kinder bzw. des Güter­standes.

Möchten die Partner in einer Patch­work­fa­milie mit Trau­schein, das heißt Mann und Frau haben jeweils Kinder und sind in neuer Ehe verhei­ratet, die Absi­che­rung des Ehepart­ners und die der leib­li­chen Kinder errei­chen, so bietet sich die Einrich­tung einer Vor- und Nach­erb­schaft durch testa­men­ta­ri­sche Verfü­gung an. Will beispiels­weise ein Partner seine neue Ehepart­nerin für den Erbfall versorgt wissen und gleich­zeitig sicher­stellen, dass außer ihr nur seine leib­li­chen Nach­kommen erbrecht­liche Ansprüche auf seinen Nach­lass geltend machen können, kann die Ehefrau als Vorerbin und der Sohn als Nach­erbe einge­setzt werden.

Dies hat im Erbfall die Folge, dass direkt nach dem Tod das gesamte Erbe auf die als Vorerbin einge­setzte Partnerin über­geht. Stirbt später auch der andere, länger lebende Ehegatte, geht das dadurch gebil­dete Sonder­ver­mögen direkt auf die als Nach­erben einge­setzten Abkömm­linge über. Es wird somit sicher­ge­stellt, dass die leib­li­chen Kinder des später Verstor­benen keinerlei Erb- oder Pflicht­teils­rechte am Nach­lass des Erst­ver­stor­benen erhalten. Vorsicht ist jedoch wegen mögli­cher Steu­er­fallen bei hohen Nach­lässen geboten. Alter­nativ können auch die leib­li­chen Kinder als Voll­erben einge­setzt und der Ehepartner durch Geld-, Wohnungs­rechts-, Haus­rats- etc. oder Nieß­brauchs­ver­mächt­nisse abge­si­chert werden. Zur Durch­set­zung von Vermächt­nissen empfiehlt es sich dabei, einen Testa­ments­voll­stre­cker einzu­setzen bzw. zu bestimmen.

Bei Patch­work­fa­mi­lien ohne Trau­schein, in denen Mann und Frau jeweils Kinder aus früheren Bezie­hungen haben, jedoch nicht verhei­ratet sind, besteht für den Fall des Todes des Lebens­part­ners eine große Unsi­cher­heit. Denn falls der neue Lebens­partner kein eigenes Einkommen oder Vermögen besitzt, ist er unver­sorgt. Da zudem keine gesetz­liche Unter­halts­ver­pflich­tung zwischen Stief­eltern und Stief­kin­dern besteht und diese aufgrund meist stär­kerer emotio­naler Bindung zum leib­li­chen Eltern­teil häufig keine frei­wil­lige Unter­stüt­zung leisten, ist auch hier nicht zwin­gend Hilfe zu erwarten. Abhilfe dafür könnten vertrag­liche Rege­lungen des Zusam­men­le­bens bringen, beispiels­weise Unter­halts­an­sprüche für die Zeit vor und nach einer Tren­nung oder wem welches Vermögen gehören soll. Auch können für den Lebens­partner und dessen Abkömm­linge Wohn- und Nutzungs­rechte verein­bart werden.

Ein gemein­sames Testa­ment ist hingegen nicht erlaubt! Nur Einzel­te­s­ta­mente, die vom Testie­renden aller­dings jeder­zeit, ohne Kenntnis des Lebens­part­ners, wider­rufen werden können, kommen infrage. Da dies keine zuver­läs­sige Nach­lass­re­ge­lung darstellt, wäre beispiels­weise ein nota­riell beur­kun­deter Erbver­trag eine sinn­volle Alter­na­tive. Steu­er­lich ist zudem zu beachten, dass Kinder aus früheren Bezie­hungen in Bezug auf die nicht mitein­ander verhei­ra­teten „Stief­eltern­teile“ keine Stief­kinder sind und damit nur die erbschafts-/schen­kungs­steu­er­li­chen Frei­be­träge der Klasse III des Erbsteu­er­ge­setzes in Höhe von 20.000 Euro erhalten können. Glei­ches gilt für Lebens­partner. Einge­tra­gene Lebens­partner hingegen wurden durch das Jahres­steu­er­ge­setz 2010 hinsicht­lich der Steu­er­klasse mit Ehegatten gleich­ge­stellt. Für Erben von einge­tra­genen Lebens­part­nern gilt somit auch die Steu­er­klasse 1 und der Frei­be­trag in Höhe von 500.000 Euro.

Weitere Probleme bei gesetz­li­cher Erbfolge Haben Ehegatten, die sich scheiden lassen wollen, ein gemein­schaft­li­ches Testa­ment errichtet, so wird dieses norma­ler­weise durch die Einrei­chung des Schei­dungs­an­trages beim Fami­li­en­ge­richt unwirksam. Hierbei gibt es aber auch Ausnahmen, weshalb im Vorfeld eine Prüfung drin­gend ange­raten wird.

Beispiels­weise bleibt es ausnahms­weise bei den von Ehegatten getrof­fenen Rege­lungen, wenn ein entspre­chender Fort­gel­tungs­wille bei Testa­ments­er­rich­tung fest­ge­stellt werden kann. Wenn mit Bindungs­wir­kung verfügt wurde, bedarf es dann einer Aufhe­bung durch nota­riell beur­kun­deten Widerruf. Dann reicht ein neues Testa­ment zugunsten der neuen Familie nämlich nicht aus. Der frühere Ehegatte könnte aufgrund des fort­gel­tenden und nicht wider­ru­fenen Testa­ments alleine erben und der neuen Familie würden nur etwaige Pflicht­teils­an­sprüche verbleiben.

Sofern geschie­dene Ehepartner (Lebens­partner) ein gemein­sames Kind haben, ist zu beachten, dass beim Tod eines Eltern­teils nach gesetz­li­cher Erbfolge sein leib­li­ches Kind erbt. Sollte dieses dann auch versterben, ohne eigene Abkömm­linge zu hinter­lassen, fällt das Erbe auf dessen leib­liche Mutter/leiblichen Vater zurück. Es erbt also der geschie­dene Ehepartner. Um dies zu verhin­dern, sollte bereits im eigenen Testa­ment Vorsorge getroffen werden, beispiels­weise durch die – gege­be­nen­falls befris­tete – Einset­zung der Kinder ledig­lich als Vorerben. Das von diesen geerbte Vermögen fällt dann an die vom Erblasser benannten Nach­erben und nicht an den ehema­ligen Partner als gesetz­li­chen Erben des gemein­samen Kindes.

Bei Miet­ver­hält­nissen von Eheleuten besteht folgende Rege­lung: Waren über­le­bender und verstor­bener Ehegatte zusammen Mieter, wird das Miet­ver­hältnis mit dem Über­le­benden auto­ma­tisch fort­ge­setzt. Der Über­le­bende tritt genauso in das Miet­ver­hältnis ein, falls der Verstor­bene allei­niger Mieter war. Die Kinder des Verstor­benen treten nur in den Miet­ver­trag ein, wenn sie, wie bei einer Patch­work­fa­milie üblich, mit in der Wohnung leben und der Ehegatte nicht eintritt.

Testa­men­ta­ri­sche Verfü­gungen zur Vermei­dung von Problemen bei der Nach­lass­ge­stal­tung Bei der Nach­lass­ge­stal­tung zu Lebens­zeit ist zu beachten, dass Vermögen sinn­voll aufge­teilt wird. Bei der gesetz­li­chen Erbfolge lassen sich oftmals wirt­schaft­lich sinn­volle Ergeb­nisse – z. B. beim Verkauf eines Nach­lass­ge­gen­standes – nicht mehr errei­chen. In den entste­henden Erben­ge­mein­schaften kommt es häufig zu lang­wie­rigen Strei­tig­keiten bzgl. der Erbauf­tei­lung, weshalb die Entste­hung solcher Gemein­schaften durch Vorkeh­rungen zu Lebens­zeit unbe­dingt vermieden werden sollte.

Die gesetz­lich gere­gelte Teilungs­ver­stei­ge­rung zur Aufhe­bung der Erben­ge­mein­schaft, bei der durch eine Verstei­ge­rung unteil­bares Vermögen (z. B. Immo­bi­lien) in Geld als teil­bares Vermögen umge­wan­delt wird, stellt höchs­tens den letzten Ausweg dar, weil auch hier keine klare Rege­lung zur späteren Auftei­lung des Geldes besteht, ein Streit somit erneut entbrennen kann.

Eine weitere Möglich­keit ist die Anord­nung einer Testa­ments­voll­stre­ckung, wobei eine meist vom Erblasser ernannte Person (Testa­ments­voll­stre­cker) dessen letzt­wil­lige Verfü­gungen zum Ausdruck zu bringen hat, sowie bei minder­jäh­rigen Kindern die Anord­nung einer Vermö­gens­ver­wal­tung. Dies hat den Vorteil, dass der Expartner so zwar weiterhin das allei­nige Sorge­recht erhält, aber keinen Zugriff auf das an die Kinder vererbte Vermögen hat. Trotzdem bietet diese Rege­lung dabei nur eine Mini­mal­lö­sung, da die Erben­ge­mein­schaft bestehen bleibt und damit keine dauer­hafte Lösung vorliegt. Eher geeignet ist die Erbein­set­zung verbunden mit der Zuwei­sung einzelner Gegen­stände im Wege von Vermächt­nissen.

Doch auch beim Vorliegen einer letzt­wil­ligen Verfü­gung kann noch eine „kleine Erben­ge­mein­schaft“ entstehen, wenn z. B. pflicht­teils­be­rech­tigte Ange­hö­rige vorhanden sind. Dies sind Abkömm­linge, Eltern oder Ehegatten, denen, sofern sie durch Verfü­gung von Todes wegen von der Erbfolge ausge­schlossen sind, ein Anspruch auf einen Pflicht­teil am Erbe zusteht, welcher der Hälfte des Wertes des gesetz­li­chen Erbteils entspricht.

Fazit Die gesetz­liche Erbfolge führt bei Patch­work­fa­mi­lien oftmals zu nicht gewollten Ergeb­nissen. Trotz einer gege­be­nen­falls lang­jäh­rigen sozialen Bindung des Stief­kindes zum Stief­eltern­teil erbt das Stief­kind nichts. Hierbei entsteht oft Fami­li­en­streit, der durch Rege­lungen zu Lebens­zeit vermieden werden kann.

Es sollten Verfü­gungen von Todes wegen getroffen werden, denn nur so können auch Stief­kinder bedacht werden. Beim Vorhan­den­sein pflicht­teils­be­rech­tigter Personen muss außerdem beachtet werden, dass sich deren Ansprüche durch eine Erbein­set­zung nicht erhöhen. Eine Lösung wäre die Nach­las­s­tren­nung hinsicht­lich des Vermö­gens des Erst­ver­ster­benden und des Vermö­gens des Nach­ver­ster­benden, was sich durch eine Vor- und Nach­er­ben­schaft und durch Vermächt­nisse errei­chen lässt. Eine Bera­tung für den konkreten Einzel­fall ist jedoch unver­zichtbar.

Wenn bereits bei Fami­lien tradi­tio­neller Art dadurch, dass keine Erbre­ge­lungen getroffen wurden, lang andau­ernde Fami­li­en­strei­tig­keiten hervor­ge­rufen werden können, ist es bei Patch­work­fa­mi­lien erst recht vonnöten solche Situa­tionen durch hinrei­chende Rege­lungen zu Lebens­zeit zu verhin­dern.